Seit dem 1. Januar 2023 gilt in der Schweiz ein neues Erbschaftsgesetz – ein Meilenstein in der Gesetzgebung?
Nicole Burgstaller: Auf jeden Fall. Das bisher gültige Erbrecht war seit 1912 in Kraft und wurde mit Ausnahme von ein paar punktuellen Anpassungen nicht mehr revidiert. Vor hundert Jahren war die Ehe zwischen Mann und Frau die Norm, das partnerschaftliche Zusammenleben ohne Heirat verpönt. Seitdem haben sich die Lebensformen stark verändert. Das war auch der Auslöser für die aktuelle Revision, sie soll den heutigen Gesellschaftsformen – Stichwort: Konkubinatspaare und Patchwork-Familien – mehr Rechnung tragen.
Was ändert sich durch die Revision in der Praxis?
Burgstaller: Das Kernstück der Revision ist die Reduktion der Pflichtteile der Nachkommen respektive der Wegfall der Pflichtteile für die Eltern. Der Gestaltungsspielraum in der Nachlassplanung erhöht sich dadurch deutlich. Das Hauptziel unserer Kundinnen und Kunden die gegenseitige Begünstigung der Ehe- oder Lebenspartner kann jetzt noch umfassender erreicht werden. Dies gilt vor allem für unverheiratete Paare, die keine Kinder haben, aber deren Eltern noch leben.
Was wird für diese Paare einfacher?
Burgstaller: Bisher konnte eine Meistbegünstigung des Partners oder der Partnerin oft nur über einen Ehe- oder Erbvertrag erreicht werden verbunden mit entsprechendem Aufwand und Notariatskosten. Neu können kinderlose Paare völlig frei über ihren Nachlass verfügen und sich mit einem Testament etwa gegenseitig als Alleinerben einsetzen.