Früher, da lagen Gewinn und Verlust nur ein Feld auseinander: Wer eine 5 würfelte, landete auf «Zürich, Paradeplatz» – die Besitzerin freute sich über 8’000 Franken Einnahmen. Wer aber nur eine 4 warf, hatte 2’000 Franken Nachsteuer an den Staat zu zahlen. «Monopoly» stand aussen auf der Schachtel, das zugehörige Papiergeld war rot, gelb und grün.
Heute, da müssen wir uns im Battle-Royale-Modus entscheiden, ob in ein «Darkfire Bundle», ein «Armored Batman Zero Skin» oder ein «Shadows Rising Pack» investiert werden soll. «Fortnite» heisst das Game, «V-Bucks» die zugehörige Onlinewährung.
Früher, da war «Monopoly» für viele Jugendliche wohl eine der ersten spielerischen Erfahrungen mit der Welt des Geldes und der Finanzen. Im Alltag wurde es ergänzt durch den Fünfliber Sackgeld für das Glace in der Badi und den Sparbatzen von Onkel Karl für das ersehnte Töffli. Irgendwann waren alle erwachsen und wurden mehr oder weniger naiv in die finanzielle Selbstständigkeit entlassen.
Heute, da scheint alles etwas komplizierter. Die jungen Menschen müssen sich nicht nur in den virtuellen (Finanz-)Welten von «Fortnite» auskennen, die deutliche Spuren im eigenen Portemonnaie hinterlassen können. Sie müssen auch ihre Ausgaben für Handy- und Streaming-Abos einkalkulieren, den Kolleginnen und Kollegen das Geld fürs Mittagessen in der Mensa rasch per TWINT schicken und die Influencer-Posts über die neuesten Markenartikel auf Social Media richtig einschätzen. «Geld ist ein grosses Thema unter uns Jugendlichen», sagt denn auch Lia, 14, Gymnasiastin in der Stadt Zürich. «Ständig fragen wir uns, wohin wir gehen, was wir machen – und was es uns kostet.»
Konsum auf Pump
Das bestätigt auch Sabrina Wachter, Programmverantwortliche Finanzkompetenz bei Pro Juventute: «Die Verlockungen zum Geldausgeben sind heute omnipräsent, Konsum ist ein fester Teil der Freizeitgestaltung junger Menschen.» Doch anders als früher auf dem «Monopoly»-Spielbrett sind die Folgen des finanziellen Handelns heute real – und manchmal auch brutal: Wer nicht über genügend Selbstdisziplin und Budgetkontrolle verfügt, kann schnell Geldprobleme bekommen. Das zeigt eine Studie der Inkassofirma Intrum zur Jugendverschuldung: Besonders männliche junge Singles in der Stadt leben oftmals über ihre Verhältnisse. Dies hängt auch mit veränderten gesellschaftlichen Bedingungen zusammen: «Heute ist es üblich, in Raten oder auf Kredit zu zahlen. Dies wird von den Jugendlichen nicht als schlimm angesehen, da auch viele Erwachsene Leasings und ähnliche Angebote nutzen», sagt Sabrina Wachter.
In die finanzielle Selbstständigkeit entlassen werden die jungen Menschen heute häufig bereits vor dem Eintritt ins Erwachsenenalter – zumindest schrittweise: So erhält Lia monatlich von ihren Eltern Geld, mit dem sie einen Teil ihrer Alltagsausgaben bestreitet: «Davon bezahle ich mein Mittagessen, meine Freizeitaktivitäten oder die modischen Extras, die ich mir leisten will.» Mit Babysitten bessert Lia ihre Kasse zusätzlich auf. Sobald sie 15 ist, will sie sich zudem um Ferienjobs bewerben, für die sie jetzt noch zu jung ist.
Der grosse Bruch in Sachen Finanzen folge dann spätestens mit 18 Jahren, sagt Anita Sigg, Dozentin für Banking und Finance an der ZHAW in Winterthur und Bankrätin der Zürcher Kantonalbank: «Viele ziehen dann von zu Hause aus, können ab diesem Alter Leasingverträge unterschreiben und Kredite beziehen. Sie werden aber auch mit für sie neuen Kosten, etwa fürs Wohnen oder die Steuern, konfrontiert. Für manche fangen die finanziellen Probleme dann an.» Aus kleinen Schulden könnten dabei rasch grosse werden, sagt Anita Sigg – eine finanzielle Last, die viele später nur schwer wieder loswerden.