Politische Entscheidungen bedeuten oft Verpflichtungen oder Verbote.
Es gibt auch liberalere, wirtschaftsnahe Ideen und Modelle, um Ziele zu erreichen, etwa Lenkungsabgaben. Am Ende resultiert ein Mix.
Können auch technische Innovationen Schub verleihen für mehr Nachhaltigkeit?
Grundsätzlich schon. Allerdings: Auch technische Innovationen werden entwickelt, um damit Gewinne zu erzielen, sie sind genauso Teil der Wachstumswirtschaft. Der Green New Deal wird uns als Win-win-Situation verkauft. Doch ich bin sehr skeptisch, ob das so einfach funktioniert.
Und die Digitalisierung? Kann sie dazu beitragen, Materialflüsse und Schadstoffe zu reduzieren, ohne unseren Konsum zu bremsen?
Sie kann sicher einen Beitrag dazu leisten. Nicht vergessen dürfen wir aber den sogenannten Rebound-Effekt: Wenn etwas effizienter und einfacher erhältlich wird, wird es auch billiger. Damit steigt wiederum die Nachfrage bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Und schon hat sich der Gewinn für die Umwelt wieder reduziert.
Modelle eines alternativen Wirtschaftens suchen den Gewinn auf beiden Seiten. Etwa die Kreislaufwirtschaft, die das System der Verbrauchs- und Wegwerfgesellschaft ablösen will und auf Wiederverwertung setzt.
Die Kreislaufwirtschaft ist ein Teil der Bestrebungen zur Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Umweltemissionen. In einem gewissen Umfang lässt sich dieses Modell sicher realisieren. Allerdings beinhaltet es auch den Aspekt der Suffizienz, also das Halten eines gewissen Niveaus und das Setzen von Grenzen. Und dies passt nicht in unser Wirtschaftssystem.
Mit weniger auskommen will auch die sogenannte «frugale Innovation». Diese propagiert einfachere Produkte mit weniger Funktionen. Sie sollen weniger ressourcenintensiv sein und trotzdem die Kundenbedürfnisse befriedigen. Ist das die Zukunft?
Ich glaube nicht, dass dieses Modell funktioniert, zumindest nicht in unserer westlichen Welt. Denn die Wirtschaft ist ja gerade darauf ausgerichtet, dass sie immer noch mehr verspricht. Zwar erhöhen mehr Funktionen tatsächlich nicht unbedingt den Nutzen von Produkten. Oft resultieren stattdessen sogar mehr Komplexität und Nachteile für die Konsumentinnen oder Benutzer, etwa wenn in einer Küche nicht mehr auf Anhieb klar ist, wie ein Herd bedient werden muss. Allerdings geht es oft gar nicht darum, ob die Benutzer die Funktionen auch tatsächlich benötigen. Mit den zusätzlichen Funktionen ist mehr Prestige verbunden, sogar in einer Küche. Es werden also relative Bedürfnisse adressiert; wir wollen andere beeindrucken durch Produkte, die uns gar nicht mehr bringen.
Können wir den ökonomischen Imperativ des «Immer-Mehr» etwas mässigen?
Ja, und ich glaube auch, dass das nötig ist. Denn unsere Wirtschaft funktioniert durchaus mit einem kleineren Wachstum. Das zeigt etwa Japan, das wirtschaftlich seit Jahrzehnten nur sehr wenig wächst, aber trotzdem eine erfolgreiche Nation ist. Allerdings bedingt das auch, dass wir unsere Ansprüche bezüglich Rendite etwas herunterschrauben.
Herunterfahren und Mass halten: Ist das auch die richtige Devise für uns Individuen?
Ja, das ist durch Studien belegt: In hoch entwickelten Ländern werden Menschen mit zusätzlichem Wirtschaftswachstum nicht zufriedener. Gemäss dieser Erkenntnis würde es bei uns keinen Sinn mehr machen, immer noch mehr materiellen Wohlstand anzustreben. Unter dem Gesichtspunkt der Nutzenmaximierung wäre mehr Freizeit ökonomischer.
Das persönliche Glück durch Genügsamkeit – tönt nach einem Ratgebertitel …
… und stimmt doch. Für viele wäre mehr Genügsamkeit wohl effektiv ein grosses Glückspotenzial. Vor allem, wenn ich sie kombiniere mit gelegentlichem Verzicht. Denn erst wenn ich verzichte, habe ich nachher auch Freude beim Stillen meiner Bedürfnisse. Es ist kein Zufall, dass alle Kulturen und Religionen Elemente des Verzichts, des Fastens oder der Enthaltung kennen. In unserem heutigen Alltag ignorieren wir diese Erkenntnis jedoch meist. Stattdessen zielen alle Botschaften des besseren Lebens auf ein «Noch-Mehr». Und es wird ständig postuliert, dass gut nicht gut genug ist. Trotzdem laufen wir mit unzufriedenen Gesichtern durch unsere Luxuswelt.
Haben Sie für sich den Weg gefunden zum bescheideneren Glück?
Wie eingangs gesagt, hilft es mir, dass ich nicht so anfällig bin für materielle Versuchungen. Viel wichtiger für mein persönliches Wohlbefinden sind soziale Kontakte und eine erfüllende und sinnstiftende Arbeit.