Die Brille und das weisse Hemd hat er in der Garderobe gelassen. Ein Hawaii-Schriftzug schmückt sinnigerweise seine Bermudas, das T-Shirt bedeckt den trainierten Körper. Er streift sich die Schwimmweste über und nach einer kurzen Fahrt vom Hafen Tiefenbrunnen in die Seemitte springt Stefan Betschart beherzt mit dem Surfbrett ins Wasser. Er greift sich die Leine, das Boot gibt Gas. Er gibt etwas Druck auf das Brett und schon steht er. Gleitend auf der Heckwelle, wirft er das Seil zurück ins Boot und surft geschickt mit etwa 18 Stundenkilometern hinter uns her, als wäre es ein Kinderspiel.
2005 vom Surfvirus befallen
Das Surfen auf der Heckwelle des Boots, das auch die Welle für die Wakeboarder macht, ist natürlich nur eine Ersatzhandlung und ein gutes Training für das Surfen auf den Brandungswellen der Weltmeere. Es war 2005, als Stefan Bertschart mit seiner damaligen Freundin in Portugal in der Algarve weilte. Wassersport war eigentlich nie sein Ding, im Gegenteil: Als Kind gehörte er zu den letzten seines Jahrgangs, das mit viel Unterstützung Schwimmen gelernt hatte. Am Strand wurde ein Surf-Grundkurs angeboten. Bekannte hatten davon geschwärmt. «Ich stand im Neoprenanzug bei hochsommerlichen Temperaturen im Sand und war total schweissgebadet», erinnert er sich. Die ersten Versuche am seichten Strand waren kläglich und die Wellen gerade mal einen halben Meter hoch. «Irgendwann kommt dann der Moment, wo du das erste Mal auf dem Brett stehst, das Wasser treibt dich vorwärts und die Welle bricht hinter dir. Dieses Gefühl ist so intensiv, dass ich nicht genug davon kriegen konnte.» Am Ende der Woche war klar, dass er im nächsten Jahr wieder zum Wellenreiten ans Meer fahren würde. Seither war er wiederholt in Portugal, aber auch in Frankreich, in Mittelamerika, in Hawaii und in der Dominikanischen Republik auf der Suche nach der perfekten Welle.
Prägendes Erlebnis in Ericeira
Zur Surfausbildung gehört nicht nur die Technik, die es erlaubt auf dem Brett im Gleichgewicht zu bleiben. Genau so wichtig ist die Kenntnis des Meeres, das «Lesen» des Wassers, das Wissen um die Strömungen und die Tücken der Gezeiten, das Verhalten in kritischen Situationen. Dass schnell etwas passieren kann, wenn man nicht vorsichtig ist, musste Stefan am eigenen Leib erfahren. «Wir verbrachten unsere Ferien in Ericeira. Das ist das bisher einzige «World Surfing Reserve» in Europa und liegt zirka eine Fahrstunde nördlich von Lissabon am Atlantik.