Blassgelb, Automatikgetriebe, 2,8 Liter, sechs Zylinder, 135'000 Kilometer, Jahrgang 1975: Der Mercedes-Benz ist im besten Alter und voll im Schwung. Beschwingt ist auch seine Fahrerin und Besitzerin, die sich nun mit einem Lächeln hinters Lenkrad setzt: Alona Müller, Leiterin der Filialen Stäfa und Hombrechtikon der Zürcher Kantonalbank, weisse Bluse, dunkle Business-Hose, beige Stilettos , Jahrgang 1970. «Wenn ich in dieses schöne Auto steige, bin ich einfach glücklich», sagt sie. Dann geht es auch schon los zu einer kleinen Runde am Zürichseeufer.
Wenn Alona Müller mit ihrer stilvollen Limousine bei einer Kundin oder einem Kunden vorfährt, ergibt sich der Gesprächsauftakt jeweils ganz von alleine: Erklärungen zu Wertschriften und Kontolösungen müssen dann erstmal warten, bis die automobilen Jugenderinnerungen angesteuert und die nostalgischen Gedankenfahrten ihrer Kundschaft absolviert sind.
Geschäftsauto und Rallyefahrzeug
Was Alona Müllers Kunden meist nicht wissen: Der Mercedes ist nicht nur ein edles Auto für geschäftliche Termine. Sondern auch ein zuverlässiger Wagen für Fahrten der besonderen Art. Dann tauschen Alona Müller und ihre Freundin Monika die Blusen mit T-Shirts, die Businesshosen mit Shorts und die Stilettos mit Sportschuhen. Sie lassen den Laptop auf dem Büropult, schnappen sich dafür Klemmbrett, mechanische Stoppuhr und eine Flasche Motorenöl. Und sind bereit für das Alpenbrevet, die Arlberg Classic oder die Strade del Vino – Oldtimerrallyes für Fahrzeuge, die mindestens 30 Jahre alt sind.
Der Mercedes schnurrt durch Stäfa, das UKW-Radio mit ausfahrbarer Antenne liefert den passenden Oldies-Soundtrack dazu. Und Alona Müller erzählt: «Den Autoklassikern verfallen bin ich 2015 beim legendären Rennen 'Mille Miglia' in Italien.» Damals war sie nur als «Anschieberin», das heisst als Unterstützerin eines Teams dabei. Doch schon bald sass sie selbst in einem Oldtimer am Start einer Rallye. «Um Geschwindigkeit geht es dabei zwar auch», sagt Alona Müller. «Allerdings nicht ums Tempo bolzen, sondern viel mehr um Gleichmässigkeit und das ideale Timing für einzelne Streckenabschnitte.» Eine solche Werteprüfung innerhalb einer Rallye kann etwa sein, einen Teil-Parcours von 400 Meter in exakt 36 Sekunden zurückzulegen. Genaues Kopfrechnen für den richtigen Tachostand ist dabei genauso wichtig, wie ein Gefühl für den richtigen Druck aufs Gaspedal.
Vor allem aber geht es bei einer Oldtimerrallye darum, den richtigen Weg zum Tagesziel zu finden. Den Streckenbeschrieb liefert jeweils ein Roadbook mit Zeit- und Kilometerangaben sowie den skizzierten Hinweisen, wo und wie abzubiegen ist. «Zeit für Zweifel bleiben da meist nicht», sagt Alona Müller. «Noch wichtiger als die Fahrerin ist deshalb die Co-Pilotin, die navigiert. Sie sagt, wo es langgeht – und trägt auch die Verantwortung, wenn der Weg abhandenkommt.» Je nach Fahrzeug, mit dem sie unterwegs sind, wechseln sich Alona Müller und ihre Team-Gefährtin Monika in den Positionen ab.