Wolfgang Jenewein, was macht für Sie eine gute Führungsperson aus?
Erstmal: Sie oder er mag Menschen, hat ein echtes Interesse an Menschen. Man merkt sofort, ob jemand nur an den Ergebnissen interessiert ist, die die Menschen liefern oder ob sie oder er daran glaubt, dass über das Interesse am Menschen die besten Resultate entstehen. Und das Zweite: Er oder sie will aktivieren, nicht fixieren. Die Führungsperson sollte die Stärken der Mitarbeitenden – ihre Potenziale – nutzen, und nicht einfach nur versuchen, Fehler zu finden und abzustellen.
Wie hat sich das Verständnis dafür, was gute Führung auszeichnet, in den letzten Jahren verändert?
Ich glaube, das Verständnis dafür, was gute Führung ausmacht, ist mittlerweile angekommen. Auch durch den Fachkräftemangel spüren viele Führungskräfte, dass sie etwas machen müssen, dass es so nicht weiter geht. Sie lesen mehr zum Thema und können mitdiskutieren. Allerdings habe ich das Gefühl, viele seien immer noch «confused, but on a higher level» – sie lesen immer mehr und mehr und fragen sich dann: Was soll ich jetzt machen? Ihnen sage ich: Hört mal auf! Besucht ein Seminar, lest ein Buch, einen Artikel und dann macht was. Die meisten wissen, was gute Führung ist, aber sie kommen nicht ins «doing», sie starten keinen Veränderungsprozess. Wir hören heute viel von New Work und agilem Arbeiten, das ist alles toll. Aber es geht in erster Linie um die Haltung. Und die ist noch nicht da.
Wie gelingt eine Veränderung der Führungskultur?
Das hängt an der Geschäftsleitung, sie bestimmt das System. Die Geschäftsleitungsmitglieder müssen sich fragen: Sind wir bereit, die Dinge zu hinterfragen, alte Zöpfe abzuschneiden? Sie müssen bereit sein, sich auf einen Prozess einzulassen. Wenn ich eine Innovation ins Unternehmen bringen will, geht das ja auch nicht über Nacht. Es braucht einen Innovationsprozess. Und wenn ich eine Kultur verändern und eine Organisation entwickeln will, braucht es eben auch einen Prozess. Es ist sinnvoll, diesen Prozess mit externer Begleitung durchzuführen. Das dauert je nach Grösse der Firma zwei bis drei Jahre. Natürlich gibt es Leute, die finden, sie haben dafür keine Zeit und wursteln irgendwie weiter. Aber wir können wirklich «places of work» in «places of joy and performance» verwandeln.