Arbeitgeber­attrakti­vität: «Die persönliche Wert­schätzung ist entscheidend»

Der Fachkräftemangel sorgt bei vielen KMU für Sorgenfalten. Die Suche nach neuen Mitarbeitenden, aber auch das Halten von bestehendem Personal, ist herausfordernd. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Arbeitgeberattraktivität. Aber wie kann sie gesteigert werden? Welche Faktoren sind wichtig? Stefan Klöckl, Experte für Führungskräfte- und Teamentwicklung, hat Antworten.

Text: Pedro Mor / Bild: zVg

Stefan Klöckl ist Gründer der Sinnfabrik.ch und Experte in den Bereichen Führung, Persönlichkeits- und Teamentwicklung, Kundenbegeisterung und Präsentation.

Herr Klöckl, was hat Sie dazu bewogen, sich auf Führungskräfte- und Teamentwicklung insbesondere im Kontext von Arbeitgeberattraktivität zu spezialisieren?

Stefan Klöckl: Ich war rund 25 Jahre in der Finanzbranche tätig und habe dort eine, sagen wir mal, eher suboptimale Art der Menschenführung erlebt. Diese persönliche Erfahrung hat mich dazu bewogen, mich beruflich neu zu orientieren und mich diesem Bereich zu widmen. Oft werden Menschen in ihrem natürlichen Drang nach persönlicher Weiterentwicklung durch ihr Umfeld oder die Umstände gebremst. Meine Vision war und ist es, Menschen und Organisationen in ihrer Entwicklung zu unterstützen und sie zu inspirieren, ihre Grenzen zu sprengen und ihre Komfortzone zu verlassen. Denn ein Unternehmen, das sich weiterentwickelt, ist attraktiver für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und umgekehrt. Zudem haben die enormen Veränderungen in der Arbeitswelt, insbesondere durch die Digitalisierung seit der Pandemie, auch viele Unternehmen überfordert. In Zeiten des digitalen Wandels und des gestiegenen Selbstbewusstseins, insbesondere der jüngeren Arbeitnehmenden der Generation Z, unterstütze ich Unternehmen dabei, eine Strategie für den Umgang mit diesen Veränderungen zu entwickeln.

Welche konkreten Herausforderungen sehen Sie für KMU im Bereich der Mitarbeitergewinnung und -bindung, gerade auch mit Blick auf die unterschiedlichen Generationen?

Es geht nicht nur darum, verschiedene Generationen zu unterscheiden, wie etwa die Gen Z. Statt auf das Trennende sollte meines Erachtens der Fokus mehr auf das Verbindende gelegt werden. Viel wichtiger ist jedoch, wie Unternehmen authentisch nach aussen wirken und dabei sicherstellen, dass dieses Aussenbild auch im Inneren der Organisation gelebt wird. Dass dies nicht immer der Fall ist, kommt relativ häufig vor. Ein Unternehmen braucht eine klare Strategie, wie es damit umgehen will.

Wie gehen Sie als Trainer vor, um mit den Führungsteams von KMU die Alleinstellungsmerkmale ihrer Organisation zu identifizieren und zu stärken?

Die Suche danach beginnt oft mit den Geschichten und Erzählungen des Unternehmens. Diese Geschichten aus dem Innenleben sind zentral, weil sie die DNA und den Spirit einer Organisation widerspiegeln, unabhängig davon, ob es sich um ein etabliertes Unternehmen oder ein Start-up handelt. Sie sind die Voraussetzung, um eine nicht kopierbare Identität oder eben Alleinstellungsmerkmale zu finden. Und diese haben in den allermeisten Fällen wenig mit den Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens zu tun. Diese sind allenfalls kopierbar, nicht aber die DNA des Unternehmens. Meine Aufgabe ist es, diese Geschichten herauszuarbeiten.

Warum ist die Attraktivität als Arbeitgeber heute so entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens, insbesondere im Wirtschaftsraum Zürich?

Wer als Arbeitgeber nicht attraktiv ist beziehungsweise nicht als attraktiv wahrgenommen wird, findet auch keine geeigneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Wirtschaftsraum Zürich, der besonders kompetitiv ist, spielt die Attraktivität als Arbeitgeber eine noch wichtigere Rolle, gerade im Kontext des Fachkräftemangels. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass die Sichtbarkeit und Attraktivität als Arbeitgeber von grosser Bedeutung sind. Die Besten einer Branche haben in der Regel auch keine oder nur geringe Probleme, geeignete Mitarbeitende zu finden. Wer jedoch keine oder nicht die richtigen Mitarbeitenden findet, sollte sich den Spiegel vorhalten und sich fragen, warum dies so ist.

Welche Rolle spielen die Führungskräfte eines Unternehmens bei der Schaffung eines attraktiven Arbeitsumfelds und wie können sie gezielt an der Gestaltung einer positiven und attraktiven Unternehmenskultur arbeiten?

Diese Frage beinhaltet sehr viele Aspekte, die ich in der Kürze dieses Interviews nur anreissen kann. Zunächst sind die Führungskräfte der Hebel im Unternehmen. Im Idealfall sollten sie in ihrem Handeln und Denken Vorbild sein, um auch ihre Kolleginnen und Kollegen zu prägen und positive Einflüsse auszuüben. Dann folgen ihnen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zweitens: Ein attraktives Arbeitsumfeld ist individuell und hängt nicht nur von äusseren Faktoren wie Benefits ab. Jedes Unternehmen muss sein eigenes Umfeld finden, in dem Mitarbeitende gerne zur Arbeit kommen, Wertschätzung erfahren und sich entwickeln können. Entscheidend ist es, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich die Mitarbeitenden wohl fühlen und sich persönlich in das Unternehmen einbringen können. Diese Motivatoren und Hygienefaktoren müssen individuell ermittelt werden.

Können Sie uns Beispiele für erfolgreiche Massnahmen oder Veränderungen nennen, die Unternehmen geholfen haben, ihre Arbeitgeberattraktivität zu steigern?

Es ist schwierig, konkrete Massnahmen zu benennen, da diese oft sehr individuell auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten sein müssen. Ein Ansatz, mit dem wir sehr gute Erfahrungen gemacht haben, sind begleitete Mitarbeitergespräche in Form von speziellen Interviews. Diese zielen vor allem darauf ab, zu erfahren, was die Mitarbeitenden persönlich wirklich beschäftigt. So erfährt man sehr viel darüber, wo die Stärken, Werte und Bedürfnisse der Mitarbeitenden liegen. Eine der häufigsten Reaktionen, die wir nach solchen Gesprächen von den Mitarbeitenden erhalten haben, war: Endlich ging es mal um mich. Und dieses Gefühl der persönlichen Wertschätzung ist entscheidend für die Identifikation mit der Unternehmenskultur. Vor allem dann, wenn sich dies herumspricht, jeder einzelne Mitarbeitende zum Botschafter für das eigene Unternehmen wird und so selbst und direkt neue Mitarbeitende gewinnt. Dieser Prozess, schafft eine authentische Basis, um die Arbeitgeberattraktivität zu steigern. Er braucht allerdings viel Zeit und Kontinuität, da solche Veränderungen Jahre dauern können.

Können Sie uns einen Ausblick geben, welche Entwicklungen Sie in Bezug auf Führung und Teamentwicklung in der Arbeitswelt der Zukunft sehen und wie sich Unternehmen darauf vorbereiten können?

Die Anforderungen an Führungskräfte werden massiv zunehmen, da die technologische Entwicklung und Veränderung in der Gesellschaft eine Geschwindigkeit erreicht haben, die viele Menschen verunsichert oder gar überfordert. Führungskräfte müssen die Zuversicht vermitteln können, dass ihre Teams diese Veränderungen gemeinsam erfolgreich gestalten können. Resilienz und Selbstzuversicht spielen dabei eine wichtige Rolle. Entsprechend werden jene Führungsteams und Unternehmer erfolgreich sein, die selbst Zuversicht ausstrahlen und bereit sind, den Wandel gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden zu gestalten.

KMU ZH Praxisseminare: Jetzt anmelden

Im Rahmen ihrer Initiative «KMU ZH» bietet die Zürcher Kantonalbank zwei Praxisseminare zum Thema Arbeitgeberattraktivität an.

Teil 1 widmet sich den Themen Employer Branding, Rekrutierung und Beziehungsgestaltung und vermittelt konkrete Lösungsansätze, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.

In Teil 2 steht die Arbeitgeberpositionierung als Werkzeug gegen den Fachkräftemangel im Vordergrund. Eine positive Unternehmenskultur trägt dazu bei. Denn nur, was von innen gelebt wird, kann nach aussen nachhaltig wirken.