Andreas Giger, wie beurteilst Du als Bankenexperte die gegenwärtige Krise?
Andreas Giger (AG): Die Probleme einer Silicon Valley Bank (SVB) kamen für uns im globalen Research nicht ganz unerwartet. Wir haben Ende des vergangenen Jahres eine fundamentale Einschätzung vorgenommen und unsere Positionen in den aktiven Aktienfonds rechtzeitig abgebaut. Das Problem der SVB war die einseitige Ausrichtung sowohl auf der Kredit- als auch auf der Einlagenseite auf Wachstums- und Risikokapitalindustrien, welche nach der Zinswende zunehmend unter einem Finanzierungsengpass litten.
Vor diesem Hintergrund wäre die Entwicklung zu einer Krise nicht angezeigt gewesen. Zwar sind eine Handvoll weiterer Banken ebenfalls in Liquiditätsnöte geraten. Doch die betroffenen Institute sind allesamt in Spezialsituationen. Es handelt sich nun in erster Linie um eine Vertrauenskrise bezüglich der Liquidität der Banken. Die überwiegende Mehrheit der Banken in den betroffenen Märkten erfüllt die regulatorischen Anforderungen an Liquidität und Kapital auch in realistischen Stresssituationen bei Weitem. Es ist somit keine allgemeine Solvenzfrage.
Was sind die Folgen? Wie werden die Regulatoren reagieren?
AG: Abgesehen davon, dass mindestens zwei prominente Banknamen (SVB, CS) verschwinden werden, könnte dies auch zu einer weiteren Verschärfung der regulatorischen Anforderungen führen, sowohl auf der Liquiditäts- als auch auf der Kapitalseite. Zurzeit sind in den USA eine mögliche Ausweitung der Einlagenversicherung (FDIC) oder gar temporäre staatliche Garantien ein Thema, zumindest im absoluten Notfall. Hier würde sich aber die langfristige Bonitäts- und eigentliche Finanzierungsfrage stellen. Im Sinne einer prosperierenden Wirtschaft und somit auch im Interesse der Bankaktionäre sollten sich die staatlichen und regulatorischen Eingriffe vor allem auf liquiditätsfördernde Massnahmen und optimalere Anreizsysteme fokussieren.
Was passiert mit den durch den Fall «Credit Suisse» ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogenen AT1-Papieren (Contingent Convertibles)?
AG: Das ist natürlich auch für den reinen Aktienanleger eine sehr wichtige Frage aufgrund des Verwässerungsrisikos. Die AT1-Renditenaufschläge sind im historischen Vergleich derzeit sehr hoch, und es ist anzunehmen, dass die Banken Entscheidungen über die strategische Eigenkapitalausstattung nicht primär von kurzfristigen Marktbewegungen abhängig machen werden. Im Krisenmodus richten sich die Banken auf Kapitalerhalt, währenddessen sie in den guten Marktphasen der letzten Jahren Aktienrückkaufe getätigt haben.
Wie siehst Du die weitere Entwicklung für die Banken und Finanzaktien allgemein?
AG: Die Nervosität wird wohl insbesondere bei den US-amerikanischen, europäischen und japanischen Bankaktien noch etwas anhalten. Aktuell ist die Deutsche Bank im Fokus der Märkte. Wir rechnen mit einer allmählichen Beruhigung der aktuellen Ausnahmesituation. Die US-Banken werden die Zinsmargen im Vergleich zu den letzten Zinsrunden nicht mehr so stark ausweiten können. Zusätzlich steigen die Rückstellungen für Kreditausfälle. Beides drückt auf die Gewinne der Banken.
Welche Aktien innerhalb des Finanzsektors bieten mehr Stabilität?
AG: Mit Blick auf die Regionen dürften europäische und asiatisch-pazifische Bankenwerte in einem besseren Licht erscheinen als US-amerikanische. Sie sind im aktuellen Zinszyklus weniger fortgeschritten, daher sind die Chancen auf positive Überraschungen bei den kommenden Resultatveröffentlichungen grösser. Weniger liquiditätssensitive Finanzwerte wie Versicherungen dürften ebenfalls etwas mehr Gewissheit bieten bei gleichzeitig ebenfalls überdurchschnittlicher Marktsensitivität.