Wie hoch sind die Einsparungen etwa?
Beispiel Stadt Zürich: Gemäss unserer Analyse zahlen Bestandsmieter im Schnitt fast 30 Prozent weniger als Neumieter, das sind 5'300 Franken jährlich. Summiert man dies über alle Miethaushalte in der Stadt Zürich, ergibt sich eine insgesamte jährliche Mietersparnis von CHF 1,1 Milliarden. Dieser finanzielle Anreiz – wir definieren ihn als Verweilbonus – hält viele vom Umzug ab. So wohnen in der Stadt Zürich Mieter im Durchschnitt über zehn Jahre in ihrer Wohnung; ein Fünftel sogar schon über 20 Jahre.
Ist der Verweilbonus vor allem ein Stadtthema?
In den Städten ist dieser sicherlich ausgeprägter; doch auch über die gesamte Schweiz hinweg sehen wir einen durchschnittlichen Verweilbonus von immerhin 14 Prozent. Grundsätzlich gilt: Je regulierter der Mietwohnungsmarkt ist, desto grösser fällt der Verweilbonus aus. So sparen in Genf – ein Paradebeispiel für einen hoch regulierten Mietmarkt – Bestandsmieter jährlich im Schnitt über 10'000 Franken im Vergleich zu Neumietern.
Zu welchen Ineffizienzen führt der Verweilbonus?
Ich sehe hier allem voran ein Verteilungsproblem. Die Mieter bleiben in ihren Wohnungen, obwohl sie zu klein sind, zu gross sind oder aus sonstigen Gründen eigentlich nicht mehr passen. Gemäss unseren Analysen leben in der Stadt Zürich in 65 Prozent aller grossen Wohnungen weniger Personen als die Zimmerzahl minus 1 und sind nach dieser Definition unterbelegt. Aber: Ein Umzug in eine kleinere Wohnung ist eben nicht selten mit höheren Kosten verbunden.
Inwiefern?
Als Beispiel: Wer vor 25 Jahren in eine Vier-Zimmer-Wohnung gezogen ist, würde heute für den gleichen Preis nur noch eine Zwei-Zimmer-Wohnung finden. Kein Wunder, entscheidet sich manche Mieterin oder mancher Mieter eher dafür, ein Zimmer leer stehen zu lassen, als einen Umzug in eine kleinere, dafür teurere Wohnung zu wagen.
Was könnten Lösungen sein?
Die Regulierungen der Bestandsmieten erleichtern zwar die Situation der Bestandsmieter, am Grundproblem ändern sie jedoch nichts: Es braucht dringend mehr Wohnungen in der Schweiz. Die Bautätigkeit hält nicht Schritt mit dem Bevölkerungswachstum. Ein nicht zu unterschätzender Grund sind hier die zahlreichen Einsprachen und Rekurse – wir erinnern uns: Dies war das Hauptthema der letzten «Immobilien Aktuell»-Publikation.
Inwieweit könnte Bauen im Bestand – also Anbauten oder Aufstockungen – eine Lösung für den Wohnungsnotstand sein?
Die Akzeptanz der Bevölkerung dürfte hier sicherlich höher ausfallen als bei Verdichtung durch Ersatzneubauten – das heisst, es wären wohl weniger Einsprachen zu erwarten. Bauen im Bestand spielt bislang noch eine eher untergeordnete, aber trotzdem nicht zu unterschätzende Rolle. So sind in den letzten fünf Jahren im Kanton Zürich durch Bauen im Bestand jährlich etwas mehr als 1'400 Wohnungen entstanden – 14 Prozent des gesamten Wohnungsneubaus. Gerne kommt es bei den schönen Altbauten aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts zur Anwendung; Häuser aus der Nachkriegszeit werden hingegen eher abgerissen.