«Vorweg: Ich finde, das Bild passt einfach auch gut zu der Zürcher Kantonalbank, als ein 45-stündiger Zeitzeuge innerhalb unseres Kantons, unserer Stadt; das Bild hat eine Geschichte, die offensichtlicher mit der unsrigen ist, als das bei manch einem anderen Bild der Fall sein mag. Lüden wir jemanden auf der Bahnhofstrasse spontan ein, einmal bei uns das Bild zu betrachten, würde die- oder derjenige rufen: Das ist doch das Viadukt! Das ist doch der Kamin der Kehrichtverbrennungsanlage!
Den Aspekt der Wiedererkennung finde ich schon sehr spannend, weil: Die Leute kennen die Szenerie, es ist ihre Stadt. Und dann kennen sie sie doch nicht, weil die Existenz, der Mensch etwa, dort nicht existent ist; weil sich die Szenerie, das Gebiet im Vergleich zu heute verändert hat. Es sind nur die Spuren des Menschen da. Dass es wie ein Blick in eine Welt ohne Menschen wirkt, macht das Bild vielleicht etwas unheimlich und melancholisch. Und gleichzeitig empfinde ich es mit seinen leicht unscharfen Blautönen voller Poesie – und Magie.
Zufall und Magie
Wie die Künstlerin diese Umgebung dem Zufall überlässt, eben durch diese ganz, ganz lange Belichtungszeit, und sie dann trotzdem moderiert, indem sie ihren Container eben auf genau diesem Platz am Güterbahnhof abstellt, den Winkel auswählt, in dem er zu stehen hat, wie sie also vorher für sich beschliesst, genau diese Seite von Zürich-West aufzunehmen, und das dann in der Folge das passiert, was einfach passiert – das ist es, was ich mit Magie meine: Sie überlässt das Entstehen des Bilds sich selbst, es konzipiert sich von allein, es fängt von sich selbst aus zu leben an – diese lang belichtete Aufnahme inklusive des Zufallsfaktors, das ist eine sehr treffliche Kombination.
Gerade weil so lang belichtet wird, verschwimmt natürlich auch alles, wird schemenhaft; was hektisch ist, ist nicht fassbar. Als der Mensch Ende der 1830er Jahre bei der Fotografie «Boulevard du Temple» von Louis Daguerre vermutlich zum ersten Mal wie gefasst wurde in ein Foto – warum war er damals erkennbar? Weil er sich während der zehnminütigen Belichtungszeit der Aufnahme beim Schuhputzer die Schuhe hat putzen lassen – nur so wurde er zufällig für die Nachwelt festgehalten.
Der Lauf der Zeit
Jenes Schemenhafte des Bildes hier und dort fordert einen zweiten Blick geradezu heraus, so gefällt mir auch der Lichtstrahl sehr, als Lauf der Zeit, der die Sonne nachzeichnet; es hat etwas Apokalyptisches, wie er da vom Himmel hinunterschiesst und auf die Erde trifft, wie ein Blitzschlag; aber eben, es ist bloss der Lauf der Zeit. Wäre es während der 45 Stunden ausschliesslich bewölkt gewesen, wären vielleicht nur Punkte dargestellt gewesen, so aber wissen wir, die Sonne schien in einem fort und es ist ein breiter Schweif geworden.
Das Bild in dieser Weise aufgenommen zu haben, gründet auf einer am Ende doch recht simplen Technik, die sich Andrea Wood perfekt zu eigen macht. Die Camera Obscura, die Lochkamera, sie ist der Urtyp allen Belichtens. Dass sich jemand in einer hypermodernen Welt die Mühe macht, mit einer solch alten Technik zu arbeiten, das gefällt mir.
Wie meine Vorgängerinnen und Vorgänger in dieser Kunstserie möchte auch ich betonen: Die Unterstützung von Kunstschaffenden durch den Ankauf von Werken finde ich sehr wichtig. Den Künstlerinnen und Künstlern wird dadurch auch eine Plattform geboten – ihre Werke sind im ganzen Kanton in den Räumlichkeiten der Bank platziert und werden so einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ganz eindeutig: Mit der Sammlungstätigkeit fördert unsere Bank das kulturelle Schaffen und die Kreativwirtschaft im Sinne unseres Leistungsauftrags und nimmt so gesellschaftliche Verantwortung wahr.»