Frau Hochberg, warum scheuen sich viele Frauen vor Themen wie Geldanlage, Vermögensaufbau und Vorsorge?
Anja Hochberg: Die Daten bestätigen in der Tat, dass Frauen bei den Themen Anlegen und Vorsorgen zurückhaltender sind. So haben wir bislang bei unserer Vorsorge-App frankly einen Anteil von 26 Prozent Nutzerinnen (Stand Mai 2021 / knapp 40 Prozent im 2023). Wir rechnen allerdings damit, dass sich der Frauenanteil signifikant erhöhen wird. Zum einen wird die Einsicht grösser, dass frau Vorsorge in die eigene Hand nehmen muss. Zum anderen gibt es mittlerweile für jede Lebenslage – unabhängig von Geschlecht, Alter, Einkommen, Finanzmarktinteresse oder Know-how – geeignete Produkte und Lösungen, um die eigene Altersvorsorge optimal auszugestalten.
Frau Albrecht, können Frauen sich nicht mehr auf den Staat bei der Altersvorsorge verlassen?
Judith Albrecht: Das Schweizer Vorsorgesystem steht tatsächlich vor grossen Herausforderungen: Die Lebenserwartung steigt – und die Zinsen verharren auf einem historisch tiefen Niveau. Um adäquate Renten bis ans Lebensende garantieren zu können, sollte die Beitragspflicht erhöht oder verlängert werden. Es wäre wünschenswert, dass eine nachhaltige Reform unserer Vorsorgewerke mehrheitsfähig würde.
Idealerweise werden dort die veränderten Familienstrukturen angemessen berücksichtigt. So sehen wir neben dem klassischen Familienmodell immer häufiger unverheiratete Paare mit Kindern, gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Patchwork-Familien. Für sie ist die Absicherung im Alter bislang nicht gesetzlich vorgespurt. Dazu kommt, dass wir heute deutlich vielschichtigere Lebensbiografien haben. Auch hier hinken die gesetzlichen Vorgaben für die Vorsorge hinterher.