Welche Beispiele von «Unconscious Bias» gibt es in der Rekrutierung?
Insgesamt kennen wir über 180 verschiedene unbewusste Vorurteile – einige der häufigsten im Recruiting sind:
- Ähnlichkeitseffekt / Mini-Me-Effekt: Nach dem Sprichwort «Gleich und gleich gesellt sich gern» – Spielen zum Beispiel viele Personen in einem Team gerne Fussball, können Bewerbende, die diese Freizeitbeschäftigung ebenfalls gerne pflegen, einen unverhältnismässigen Sympathiebonus erhalten.
- Der Halo-Effekt / Überstrahleffekt: Eine Bewerberin oder ein Bewerber hat beispielsweise in einer renommierten Bildungseinrichtung die Ausbildung mit Bestnoten abgeschlossen. Dieser Leistungsnachweis kann negative Auffälligkeiten in anderen wichtigen Bereichen wie der Sozial- und Persönlichkeitskompetenz überstrahlen.
- Horns-Effekt: Die andere Seite des Halo-Effekts ist der Horn-Effekt. Eine einzige negative Eigenschaft oder schlechte Leistung einer Person, führt dazu, dass alle positiven Eigenschaften, Qualitäten und Talente übersehen oder herabgesetzt werden. Zum Beispiel, wenn ein Lebenslauf eine für den Recruiter negativ assoziierte Arbeitgeberin enthält. Oder wenn beispielsweise eine Bewerberin oder ein Bewerber unpünktlich zu einem Bewerbungsgespräch erscheint und die Recruiterin automatisch annimmt, dass der Bewerber oder die Bewerberin ungeeignet oder unzuverlässig ist – obwohl die Unpünktlichkeit viele Gründe haben kann, die nichts mit den Fähigkeiten oder der Eignung der Bewerberin oder des Bewerbers für die Stelle zu tun haben.
- Die Stereotypisierung: Gerne bediene ich mich da der Stereotypen, die mich selbst betreffen: Ich bin weiblich und habe asiatische Wurzeln. In einem stereotypischen Denkmuster wäre ich in den Kompetenzen Multitasking und Mathematikverständnis überdurchschnittlich qualifiziert. Diese Annahme wäre in meinem Falle sehr weit von den Tatsachen entfernt. Trotzdem könnte es bei einer Stereotypisierung vorkommen, dass ich bei Vakanzen, in denen diese Fähigkeiten als wichtig erachtet werden, gar nicht darauf geprüft werde, weil aufgrund meines Geschlechts und kulturellen Backgrounds angenommen wird, ich könne das ja.
Wie geht man als Recruiterin gegen solche unbewussten Vorurteile vor?
In der Schweiz haben wir die Angewohnheit, Lebensläufe mit Foto, Geburtsdatum, Nationalität, Zivilstand etc. zu formulieren. Ich habe mir angewöhnt, diese Informationen bei der Selektion zu überspringen. Wenn Bildungsweg und die erforderliche Erfahrung auf das Profil passen, ist für mich nur die vorhandene oder mögliche Arbeitsbewilligung relevant, um zu prüfen, ob wir bei der Person rechtlich einen Arbeitsvertrag ausstellen dürfen. Um bei der Auswahl objektiv zu sein, hilft es auch, messbare Kriterien und Anforderungen zu definieren.
Nach einem Interview, unserer Beurteilung, wie gut die Person zu unseren Werten und der Unternehmenskultur passt sowie dem Austausch mit den internen Beteiligten im Rekrutierungsprozess, hinterfrage ich unsere Einschätzungen. Auf welchen Fakten und Gesprächsinhalten basieren diese?