Steigende Inflationsraten sorgen bei Konsumenten, Unternehmern und Notenbankern vermehrt für Kopfzerbrechen. So hat die hohe globale Nachfrage, gekoppelt mit Lieferengpässen, zu einem starken Anstieg der Energiepreise geführt. Und der Krieg in der Ukraine setzt diesbezüglich nochmals eins drauf. Bereits fragen sich besorgte Bürger, ob nun wieder autofreie Sonntage anstehen wie damals 1973, als infolge des Jom-Kippur-Krieges das Flanieren auf Schweizer Autobahnen möglich war. Oder wird sich das Wirtschaftswachstum bald normalisieren – und mit ihm die Inflationsraten, sodass der jüngste Anstieg der Hypothekarzinsen zum Stillstand kommt? Hier eine volkswirtschaftliche Einschätzung.
Ausgaben durcheinandergewirbelt
Eine wichtige konjunkturelle Stütze in der Coronapandemie war die Nachfrage nach langlebigen Gütern. Dienstleistungen konnten aufgrund verordneter Einschränkungen oftmals nicht erbracht werden. So war zum Beispiel der Konsum von Auslandferien, Kino- oder Friseurbesuchen stark eingeschränkt. Das durchschnittliche Budget der Schweizer Haushalte blieb indes – nicht zuletzt dank den Stützungsmassnahmen wie Härtefall- und Kurzarbeitsentschädigungen – recht stabil. Viele Haushalte bewog dies, ihre Lieblingsgüter bequem vom Sofa aus zu bestellen. Ein Beispiel: Während in den Jahren 2020 und 2021 der durchschnittliche Haushalt seine Ausgaben für Pauschalreisen (Dienstleistungen) im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten um über 50 Prozent reduzierte, gab er für Fahrräder (langlebige Güter) über 50 Prozent mehr Geld als üblich aus.
Gegenbewegung: Ja, aber …
Bekanntlich hat der Bundesrat Mitte Februar 2022 beinahe alle Coronamassnahmen aufgehoben. Die Pandemie gehört zwar noch nicht der Vergangenheit an, aber die wirtschaftlichen Bremsspuren werden von Woche zu Woche schwächer. Unser Konsumverhalten wird sich dadurch wieder dem Vor-Krisen-Muster annähern. Kommt es nun zur Gegenbewegung, indem sich bei langlebigen Gütern ein Sättigungseffekt bemerkbar macht, für Dienstleistungen sich aber ein Nachholeffekt abzeichnet? Sättigungseffekte dürften sich bei gewissen Gütern tatsächlich bemerkbar machen. Hingegen sind Nachholeffekte bei Dienstleistungen ungleich schwerer zu bewerkstelligen. Um bei den obigen Beispielen zu bleiben: Möglicherweise gehen wir bald wieder mehr als gewöhnlich ins Kino, für den Friseurbesuch gilt dies allerdings nicht. Und wenn wir wieder vermehrt ins Ausland reisen, ist das zwar ein persönlicher Gewinn, für die Schweizer Volkswirtschaft insgesamt aber kaum relevant für die Wertschöpfung. Somit wird der private Konsum in den nächsten Quartalen wohl nicht zu den Wachstumsstützen zählen. Wie Umfragen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich indes zeigen, planen die Schweizer Unternehmen, ihre Kapazitäten deutlich auszubauen. Die Ausrüstungsinvestitionen werden der Konjunktur Rückenwind verschaffen. Wir rechnen für dieses Jahr mit einem BIP-Wachstum von 3 Prozent.
Dienstleistungsinflation zu zaghaft
Was heisst das für die Inflation, die den einen oder anderen Hausbesitzer, der kurz vor Abschluss seines Hypothekarvertrags steht, zurzeit unruhig schlafen lässt? Wie die untenstehende Grafik zeigt, haben insbesondere die Preise von dauerhaften Gütern eine ausserordentliche Dynamik an den Tag gelegt. Im Zuge der Normalisierung werden die Dienstleistungspreise weiter leicht steigen, während viele Güterpreise ihren Höhepunkt, den obigen Ausführungen entsprechend, bald überschritten haben dürften. Die Schweizer Inflationsrate wird sich daher gemäss unserer Prognose in den nächsten Quartalen reduzieren. Aus Sicht der Inflation hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) folglich keinen unmittelbaren Bedarf, die Zinsen zu erhöhen. Der erwähnte Hausbesitzer kann also ruhiger schlafen. Allerdings wird auch das Einkommen kaum steigen, kommt doch die Lohn-Preis-Spirale bei der Gemengelage nicht zum Drehen.