Geringere Schadensbilanz
Durch die deutlich geringeren Preiskorrekturen am Immobilien- und Aktienmarkt sind die Bilanzen der Haushalte weniger stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Unternehmen in der chinesischen Privatwirtschaft haben sich bei Immobilienspekulationen weitgehend zurückgehalten. Daher haben auch die Banken bisher weniger gelitten als in Japan. Die Schadensbilanz für die Gesamtwirtschaft fällt entsprechend geringer aus, weshalb sich für die kommenden Jahre auch kein breit abgestützter Entschuldungsprozess abzeichnet. Nichtsdestotrotz belastet die Immobilienkrise die chinesischen Wirtschaftsakteure in unterschiedlichem Ausmass.
Vermögenseffekt der Haushalte
In China ist im Vergleich zu anderen Ländern ein überdurchschnittlich hoher Anteil des Haushaltsvermögens in Immobilien gebunden, da die Anlagemöglichkeiten wegen der stark regulierten Kapitalflüsse begrenzt sind. Die jüngsten Preiskorrekturen belasten deshalb viele Haushalte und ein Immobilienkauf als Investitionsalternative erscheint als unattraktiv. Daher haben Haushalte überschüssige Ersparnisse und günstigere familieninterne Darlehen genutzt, um bestehende Hypotheken zurückzuzahlen. Ein Entschuldungsprozess findet bei den chinesischen Haushalten also durchaus statt. Im Unterschied zu Japan erfolgt dieser jedoch weitgehend freiwillig.
Lokalregierungen in Finanzierungsnöten
Die Auswirkungen der Immobilienkrise treffen die Lokalregierungen und ihre Finanzvehikel hingegen deutlich stärker. Weil die Steuerhoheit weitgehend in den Händen Pekings liegt, haben Lokalregierungen in den vergangenen Jahren ihre Einnahmen vorwiegend aus Landverkäufen generiert. Im Zuge der Krise sind diese jedoch regelrecht eingebrochen. Die hohen Schulden der Lokalregierungen und ihrer Finanzvehikel bereiten Peking denn auch Kopfschmerzen. Einen Staatsbankrott zur Bilanzbereinigung wird das politische System allerdings kaum zulassen. Die Zentralregierung hat sich kürzlich jedoch erneut dafür entschieden, die Banken in die Bresche springen zu lassen und sie angewiesen, bestehende Verbindlichkeiten von Lokalregierungen und Finanzvehikeln durch solche mit längeren Laufzeiten und günstigeren Konditionen zu ersetzen.
Banken als volkswirtschaftlicher Puffer
Bisher sind die chinesischen Banken von Zahlungsausfällen ausserhalb des Immobiliensektors weitgehend verschont geblieben. Zudem gelten die grossen Institute allgemein als gut kapitalisiert, sodass infolge der Immobilienkrise nicht mit einem Flächenbrand für die chinesische Volkswirtschaft zu rechnen ist. Dennoch schmälert die staatlich angeordnete und dadurch ineffiziente Kreditvergabe an den Immobiliensektor die Gewinnmargen der Finanzinstitute. Die aktuelle Handhabung der Immobilienkrise verhindert ohnehin eine Strukturbereinigung am Immobilienmarkt. Damit werden die Probleme ähnlich wie in Japan auf die lange Bank geschoben. Doch der verhältnismässig geringe Immobilienpreisrückgang verhindert zumindest eine grundlegende Neubewertung der ausstehenden Hypotheken.
Überschaubare Lockerungen der Geld- und Fiskalpolitik
Auf die anhaltenden Probleme am Immobilienmarkt hat die Regierung eher zögerlich reagiert und bisher kein grosses Konjunkturpaket, sondern nur punktuelle Massnahmen verabschiedet. Diese Salamitaktik ist in China durchaus gebräuchlich, sofern nicht grössere Wachstumseinbussen drohen. Gegenwärtig ist also nicht mit ausufernden Staatsausgaben wie im Falle Japans während der 1990er Jahre zu rechnen. Auch von einer Liquiditätsfalle im Reich der Mitte gehen wir derzeit nicht aus, zumal die geldpolitischen Lockerungen überschaubar ausfallen und die Kreditvergabe an Unternehmen ausserhalb des Immobiliensektors nach wie vor zu funktionieren scheint. Allerdings dürfte das Kreditwachstum vorerst verhalten bleiben, da nebst der Immobilienbaisse auch zyklische Faktoren wie beispielsweise die schwache Exportnachfrage belasten.
Schrumpfende Bevölkerung
Während sich einige Entwicklungen zwischen Japan damals und China heute in ihrer Konstellation unterscheiden, so teilen die beiden Länder doch das gleiche demographische Schicksal. Chinas Bevölkerung ist infolge der Ein-Kind-Politik, die im Nachgang der grossen Hungersnot zu Beginn der 1960er Jahre eingeführt wurde, ebenfalls überaltert. Mittlerweile verfolgt die Regierung eine Drei-Kind-Politik. Doch die hohen Lebenshaltungs- und Bildungskosten werden in den kommenden Jahren kaum zu einer Steigerung der Fertilitätsrate führen. Unter diesen Voraussetzungen wird die chinesische Bevölkerung weiter schrumpfen, womit ein weiterer Wachstumstreiber in den kommenden Jahren entfallen wird.
Strukturelle Wachstumsverlangsamung
Die Ähnlichkeiten zu Japan der 1990er Jahre erscheinen auf den ersten Blick frappant. Doch auf den zweiten Blick wird ersichtlich, dass die Immobilienkrise in China trotz ihres beträchtlichen Ausmasses bisher geringere Spuren im Rest der Volkswirtschaft hinterlassen hat und auch die vorherrschenden Wirtschaftssysteme unterschiedliche Massnahmen der Geld- und Fiskalpolitik erlauben. Aufgrund dessen rechnen die Experten der Zürcher Kantonalbank in China nicht mit einem verlorenen Jahrzehnt nach dem Vorbild Japans.
Die starken staatlichen Eingriffe haben während der letzten Jahre aber zu einer ineffizienten Ressourcenallokation geführt und schmälern letztlich das Produktivitätswachstum im Reich der Mitte. Zudem sind die Lohnkosten stark gestiegen und verringern die Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Industrie. Das politische Vorgehen in der Immobilienkrise wiederum verhindert eine Strukturbereinigung, sodass der hohe Schuldenberg der Entwickler und Lokalregierungen auch in den kommenden Jahren fortbestehen wird. Der Immobiliensektor wird in Zukunft folglich nicht den gleichen Wachstumsbeitrag mehr liefern können, wie dies in den vergangenen Jahren der Fall war. Die Nachfrage nach zusätzlichem Wohneigentum wird ohnehin infolge der demographischen Entwicklung sinken. Die bereits eingesetzte strukturelle Wachstumsverlangsamung wird sich in den kommenden Jahren daher akzentuieren.